Rezension

Bild: Privat

Antonio Rosetti: Requiem Es-Dur (Murray H15, Version C, 1176/1971), herausgegeben von Roland Biener (= Musik zwischen Elbe und Oder 41)

Beeskow 2020, ortus musikverlag; om272/1 (Partitur), 44 €

 

Roland Bieners großes Verdienst ist es, das geistliche Werk von Antonio Rosetti (1750–1792) in wissenschaftlichen Publikationen und editorisch fundierten Praxisausgaben sukzessive zugänglich zu machen. Mit der Edition des „Requiem Es-Dur“ (Murray H15) als Band 41 der Reihe „Musik zwischen Elbe und Oder“, finanziell unterstützt von der Internationalen Rosetti-Gesellschaft, hat er nunmehr das erste als gesichert geltende Werk für Chor, Soli und Orchester dieses in Böhmen musikalisch sozialisierten Kapellmeisters veröffentlicht.

Antonio Rosetti, in dessen Aufgabenbereich die Kirchenmusik während seine Anstellung am Wallersteiner Hof eigentlich nicht fiel, schrieb das Requiem 1776 zum Begräbnis der 19-jährigen Fürstin Marie Therese von Oettingen-Wallerstein. Es entstand innerhalb von nur zwei Wochen, weshalb das Proprium laut Biener pragmatisch-fragmentarisch vertont ist: Es fehlen das „Kyrie“ nach dem Introitus, das „Benedictus“ und das „Agnus Dei“ komplett sowie Teile der Sequenz – die in der Aufführung möglicherweise durch bereits im Hofkapellenrepertoire vorhandene Vertonungen (vielleicht auch choraliter?) ergänzt wurden. Auch das eher außergewöhnliche Offertorium „Cur faciem tuam abscondis“ anstelle des konventionellen „Domine Jesu Christe“ könnte weniger in einer anlassbezogenen Vertonung dieser Passage aus dem Buch Hiob gründen, sondern vielmehr bereits vorgelegen haben. Dagegen sind der Introitus und das „Lacrymosa“ mit „dona ei“ unmittelbar auf die Fürstin bezogen.

Eine der Bedeutungen des Werks liegt zweifellos darin, dass es einen der wenigen Anhaltspunkte für den frühen Kirchenstil Rosettis liefert. Zugleich trat er mit dem Requiem erstmals ans Licht einer breiteren musikalischen Öffentlichkeit, wie zahlreiche Abschriften und Ergänzungen in Bibliotheken Österreichs, Süddeutschlands oder sogar in Paris belegen. Unter diesen ragt die Abschrift von Johann (Jan) Josef Strobach heraus, die für die Prager Gedenkfeier am 14. Dezember 1791 zu Ehren des soeben verstorbenen W. A. Mozart um die letzten Sätze ergänzt und leicht uminstrumentiert verwendet wurde und die sich heute im Besitz der tschechischen Lobkowicz Library and Archives auf Schloss Nelahozeves befindet.

Neben dieser Fassung mit ihrer vollständigen Textvertonung stützt sich Biener bei seiner Edition auf das Stimmmaterial aus der Musiksammlung der Fürsten von Oettingen-Wallerstein (1776) und die vom Wallersteiner Hofkomponisten angefertigte, in der Regensburger Hofbibliothek des Fürsten zu Thurn und Taxis tradierte, undatierte, aber wohl für 1776 bzw. nicht lange danach entstandene Partitur des Werkes, wobei er sein Vorgehen akribisch in einem sorgfältig und umfassend gearbeiteten Kritischen Bericht nachvollziehbar und schlüssig dokumentiert.

Damit ist es einerseits möglich, unter Einbezug der eigenhändigen Revisionen Rosettis einerseits den letzten Stand der Urfassung zu rekonstruieren. Andererseits ist damit das Werk auch heute im Sinne einer liturgischen bzw. textlichen Vollständigkeit aufführbar, was nicht nur musikalisch äußerst lohnenswert ist, sondern auch hinsichtlich der Singbarkeit im Amateurmusikbereich sehr gut realisierbar sein sollte.

Marius Schwemmer


[veröffentlicht in Musica sacra 142 (2/2022), S. 125-126]

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